«Der Circle ist Verdichtung am besterschlossenen Standort»

Für Stephan Widrig passt «The Circle» perfekt in die Zeit: Das Grossprojekt stärke den Flughafen als Zentrumsmagnet mit kosmopolitischem Flair vor allem auf der Landseite, sagt der CEO der Flughafen AG. Inwiefern auch der Flugbetrieb vom Megaprojekt profitiere, werde sich weisen.

Herr Widrig, im September hätte die grosse Eröffnungsparty für den Circle steigen sollen. Schmerzt die Corona-bedingte Verzögerung?

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es war kein schöner Frühling. Dennoch schreitet der Bau unseres Grossprojekts voran, wir übergeben laufend Flächen an unsere Mieter und erwarten, dass wir im November 2020 die Shops, Restaurants und weitere Nutzungen eröffnen können. Die Eröffnungsfeierlichkeiten sind dann für den Frühling 2021 geplant. Dann werden wir und auch unsere Gäste wahrscheinlich wieder mehr Feierlaune verspüren.

Inwiefern hat die Pandemie das Kostenbudget für das Projekt durcheinandergebracht? 

Die Situation hatte selbstverständlich Einfluss auf die Kosten. Bei einem langfristigen Projekt fällt dieser jedoch nicht so stark ins Gewicht. Schön zu sehen ist auch, dass kein einziger Mieter abgesprungen ist. Im Gegenteil, einzelne Mieter haben sich in den letzten Wochen sogar zu Flächenerweiterungen entschieden.

Hatten Sie im ersten Halbjahr 2020 nie Zweifel, ob der Circle nicht möglicherweise ein überdimensioniertes Projekt ist, da die Flugindustrie als Folge der Pandemie vielleicht nie mehr dieselbe sein wird?

Der Circle ist ein langfristiges und zukunftsweisendes Projekt. Wir setzen es für die Region Zürich um und sind überzeugt, dass unser Konzept mit dem visionären Nutzungsmix und dem Campus-Gedanken funktioniert, ja sogar Vorbild sein wird für weitere Projekte im In- und Ausland.

Welche wichtigsten Mehrwerte erhoffen Sie sich denn als CEO der Mehrheitseigentümerin Flughafen Zürich AG vom Neubau?

Der Circle stärkt den Flughafen als städtischen Zentrumsmagneten mit kosmopolitischem Flair. Er wird der Technologie- und Innovations-Hotspot der Schweiz. Das gibt neue Impulse, für die Region Zürich sowie für das ganze Land. Zudem sind wir überzeugt, dass das Angebot für Kongresse mit bis zu 2500 Gästen neue Veranstaltungen in die Schweiz bringen wird.

Der Circle wird der Technologie- und Innovations-Hotspot der Schweiz

Ist der Circle aber nicht auch in erster Linie Frequenzbringer für den Flugbetrieb und Hub Zürich und damit von der Verkehrsleistung des Flughafens abhängig?

Natürlich ist der Circle Teil vom Flughafen Zürich, trotzdem sind wir überzeugt, dass ein grosser Teil seiner Besucher keine Flugpassagiere sein werden. Das Universitätsspital Zürich geht beispielsweise davon aus, dass es im Circle täglich 1000 Patientinnen und Patienten behandeln wird, die statt ins USZ in der Stadt an den Flughafen kommen. Weitere Angebote wie die erwähnten Kongresse, die zehn unterschiedlichen Restaurants und Cafés oder auch Bereiche wie Bildung und Kultur sorgen dafür, dass hier auch ein Leben stattfinden wird, das nicht direkt mit dem Flugbetrieb zusammenhängt.

Rechnen Sie trotzdem auch damit, dass eine gesteigerte Attraktivität des Flughafens Zürich dank de m Circle neue europäische Fluglinien dazu bewegen könnte, mehr Transitpassagiere über Zürich zu schleusen?

Zürich ist ein Qualitätsflughafen im Herzen Europas, der durch den Circle primär auf der Landseite eindeutig gestärkt wird. Die Destination Flughafen Zürich wird dadurch noch attraktiver. Ob sich Airlines aufgrund des Circle dazu entscheiden, den Flughafen Zürich neu oder mit mehr Frequenzen anzufliegen, wird sich noch weisen.

Sie sehen den Circle also eher als Attraktion, die für sich selbst steht und auch die lokale Bevölkerung anziehen soll. Also als eine Art Erweiterung der Tourismusmetropole Zürich? 

Ja, auf jeden Fall. Mit seiner Lage direkt an der grössten regionalen Verkehrsdrehscheibe im Norden Zürichs und im Glatttal soll der Circle auch stark vom lokalen Einzugsgebiet leben. Daneben bildet der dazugehörige Park eine grüne Oase für die ganze Flughafencommunity, die rund 6000 Angestellten im Circle selbst sowie Besucher, Pendler und Passagiere des Flughafens Zürich.

Was überzeugt Sie persönlich besonders am Projekt , etwa in Bezug auf die Architektur, das Nutzungskonzept oder die Durchmischung der Mieterschaft?

Das optimale Zusammenspiel genau dieser Aspekte. Mit dem Circle verdichten wir an einem bereits perfekt erschlossenen Ort, schaffen neue Angebote und Anreize für die Region und vereinen unterschiedliche Nutzungen unter einem Dach. Von Kongressen über zukunftsfähige Retailkonzepte bis hin zu Gesundheit, Bildung und Kunst. Auch Mitarbeitende finden hier einen perfekten Campus, der neue Arbeitsmodelle fördert und mit dem überall vorhandenen WLAN auch den Park oder ein Café zum Arbeitsort macht.

Fürchten Sie nicht, dass es mit der Zeit wachsende Leerbestände geben könnte, wie dies auch andere hochtrabende Immobilienprojekte nach Abklingen des ersten Hypes erleben mussten?

Die Resonanz und die Feedbacks, die wir bis anhin erhalten haben, stimmen uns positiv, dass es dazu nicht kommen wird. Es zeigt sich generell, dass Flughäfen im In- und Ausland immer mehr zu Begegnungsorten werden, die eben nicht nur aufgesucht werden, wenn man fliegt. Der Circle entsteht am besterschlossenen Standort der Schweiz, der schon heute sehr belebt ist und mit dieser neuen Attraktion noch mehr Gründe für einen Besuch bieten wird.

Wie viele Angestellte beschäftigt die Flughafen Zürich AG zurzeit , und wie viele davon haben Büros im Circle bezogen ?

Wir beschäftigen zurzeit rund 1700 Mitarbeitende, rund 600 davon haben im Mai Büros im Circle bezogen. Die sogenannte Homebase ist der neue Dreh- und Angelpunkt unserer Firma. Ich freue mich sehr, dass der Hauptsitz wieder näher bei den Kolleginnen und Kollegen an der Front ist.

Das Betriebs- und Energiekonzept des Circle achtet auf Nachhaltigkeit. Wie lange wird es dauern, bis auch der enorm umweltbelastende Flugbetrieb nachhaltiger wird, etwa mit synthetischen Kraftstoffen, Wasserstoff usw .?

Langfristig ist die grösste Herausforderung für die Aviatik selbstverständlich das Wegkommen von fossilen Brennstoffen, denn nicht das Fliegen per se, sondern die fossilen Energieträger sind das Problem. Das Ziel muss eine gute Vernetzung der Welt ohne fossile Energieträger sein. 

Das tönt gut, aber was tun Sie als Flughafen dafür?

Wir arbeiten ständig daran, günstige Voraussetzungen für die Versorgung des Flughafens Zürich mit alternativen Treibstoffen zu schaffen. Dass uns Klimaschutz sehr wichtig ist, zeigen wir ja genau mit dem Circle, der Leed-Platinum-zertifiziert und das grösste jemals von Minergie zertifizierte Gebäude ist sowie gänzlich ohne fossile Energie funktioniert.

Wie rentabel können Sie den Circle künftig betreiben?

Ich bin vom kommerziellen Erfolg des Projekts überzeugt. Wir hatten bereits vor über zehn Jahren eine zukunftsweisende Vision, die wir nun genau so umgesetzt haben. Wir gehen davon aus, dass der Circle eine für ein Immobilieninvestment überdurchschnittliche Rendite erzielen wird.

 

Der Entwicklungsspezialist

Stephan Widrig (48) ist seit Anfang 2015 CEO der Flughafen Zürich AG. Der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler (Universität St. Gallen HSG) war zunächst für die Unternehmensberatung Arthur Andersen tätig und stiess 1999 zur damaligen Flughafen-Immobilien-Gesellschaft (FIG), die im Jahr 2000 mit der Flughafendirektion zur Flughafen Zürich AG (Unique) fusionierte und seither an der Schweizer Börse kotiert ist. Widrig leitete das Immobilienmanagement und war Chief Financial und Chief Commercial Officer des neuen Flughafens Bangalore in Indien, an dem die Flughafen Zürich AG beteiligt ist. Per 1. Juli 2008 wurde er in die Geschäftsleitung der Flughafen Zürich AG berufen, zunächst als Leiter der grossen Entwicklungsprojekte, später als Verantwortlicher für alle nicht regulierten Geschäftsfelder sowie sämtliche Gebäude und Anlagen des Flughafens Zürich.