Gegen Hunger und Food Waste

02.12.2021
4/2021

Gelernt hat sie Polymechanikerin, studiert Interaction Design – und jetzt bekämpft Unternehmerin Olivia Menzi mit ihrem Verein «Mehr als zwei» Armut und Food Waste in der Schweiz. 

    

«Es gibt Armut in unserem Land, die während Corona sichtbar geworden ist», sagt Olivia Menzi. In einem Land, in dem gleichzeitig tonnenweise Lebensmittel weggeworfen werden. So lag es für sie auf der Hand, etwas dagegen zu tun. Mit ihren Musterprojekten, einem Lebensmittelpaket für Armutsbetroffene und der Verarbeitung von überschüssigen Bananen, hat sie zwei Projekte lanciert, die viele Nachahmer verdienen.

Die 1982 geborene Olivia Menzi kommt mit ihrer Polymechanikerlehre und dem Studium in Interaction Design aus einer ganz anderen Richtung. Vor sieben Jahren gründete sie eine Firma für digitale Kommunikation, Prozessgestaltung und User Experience. Daneben rief sie mit einer Kollegin den Verein «Mehr als zwei» ins Leben, mit dem sie in der Gesellschaft etwas bewegen kann.

    

Die Pandemie brachte den Bedarf ans Tageslicht

Dank diesem Hintergrund kann sie ihr Wissen zum Thema Kommunikation, Digitalisierung und Netzwerke optimal einsetzen. Doch erst Corona gab der Idee den entscheidenden Schub. Olivia Menzi: «Vorher hatten wir null Chancen. Von Seiten der Behörden und Städte hiess es immer, es gebe genug Angebote.»

Im Frühling 2020 aber waren selbst Abgabestellen von «Tischlein deck dich» über Monate geschlossen. «Es gibt Menschen bei uns, die nicht wussten, was sie am nächsten Tag auf den Tisch bringen sollen», sagt Olivia Menzi mit einem Nachdruck in der Stimme, der aufhorchen lässt.

Die Lösung für die Jungunternehmerinnen war, die Lebensmittel per Paketpost an die Haushalte zu verschicken. Für den Prototyp zu ihrer Idee wählten sie die Stadt Arbon aus, um die Synergien einer regionalen Verankerung zu nutzen. Gefördert wird der Pilotbetrieb von der Stiftung Mercator. Dank einem Aufruf in den regionalen Medien und diversen Onlineforen meldeten sich Betroffene.

Alle zwei Wochen erhalten nun die 30, die eine Bestellung aufgegeben haben, ein Lebensmittelpaket mit einem Gewicht von acht bis zehn Kilo. Darin finden sie haltbare Lebensmittel wie Haferflocken, Pasta oder Gemüsekonserven. Sie stammen vom Ostschweizer Lebensmittelverteilprojekt Food Care Gossau. Der Unkostenbeitrag beträgt 10 Franken.

Olivia Menzi und Karin Friedli verknüpfen damit bereits bestehende Ressourcen – sprich: Sie verschieben die richtige Ware zur richtigen Zeit an den Ort, wo sie wirklich gebraucht wird: «So vieles liegt am Willen, sich zu vernetzen, und am Zugänglichmachen von Manpower.»

     

Nachahmer herzlich eingeladen!

Dasselbe gilt auch für Projekt Nr. 2. Da vermitteln sie Bananen aus dem Ausschuss von Grossverteilern oder Lieferanten an Produzenten, die diese Bananen trocknen oder daraus Bananenbrot backen. Nächstes Jahr wollen die beiden Frauen aus ihren Erfahrungen einen öffentlich zugänglichen Leitfaden für diese Art von Projekten schreiben – Nachahmer sind ausdrücklich erwünscht.

Olivia Menzis Erkenntnis aus den letzten zwei Jahren: «Der grosse Teil der privilegierten Gesellschaft will sich auch nach der Krise des Themas Armut nicht annehmen. Wir können aber nur etwas ändern, wenn wir aktiv nach Lösungen suchen.»

 

Susanne Wagner | Text
Barbara Hess | Foto