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21.06.2023
2/2023

Nie sei eine Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg wichtiger gewesen als bei der Entwicklung von KI-Systemen, sagen namhafte Forschende und Wirtschaftsgrössen. Sie fordern deshalb ein Moratorium für KI-Experimente.

Künstliche Intelligenz macht alle zu Stakeholdern

Eine «Sommer-Denkpause» schlägt das Future of Life Institute (FLI) in einem offenen Brief vom April vor, den bereits zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Forschung unterschrieben haben.

Der Thinktank, der sich für die Nutzung neuer Technologien mit möglichst grossem Benefit für die ganze Menschheit und bei gleichzeitiger Reduktion von Risiken einsetzt, schlägt neben einem sechsmonatigen Moratorium auch konkrete Schritte zur Aufnahme von Gesprächen für die Regulierung künstlicher Intelligenz und weitere Massnahmen vor.

Das FLI begründet die Notwendigkeit des Moratoriums mit der Erkenntnis führender KI-Labore, wonach fortschrittliche KI-Systeme einen tiefgreifenden Wandel in der Geschichte des Lebens auf der Erde darstellen können. Sie warnen, dass derzeit ein unkontrollierter Wettlauf der KI-Labore um immer leistungsfähigere Systeme stattfindet, die niemand, auch nicht ihre Schöpfer, verstehen, vorhersagen oder zuverlässig kontrollieren können.

Die ausserordentlich einfach zu bedienende und kostenlos nutzbare Schnittstelle ChatGPT der KI-Firma OpenAI, die massgeblich vom Tesla-Gründer Elon Musk und von Microsoft finanziert worden war, hatte KI zuletzt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Seit Jahresbeginn wird in aller Breite aufgezeigt, wie künstliche Intelligenz Gesellschaft, Wirtschaft, Bildung und Forschung beeinflussen kann. Und das sehr unmittelbar: Plötzlich ist die Gefahr von synthetisch erstellten Kreativwerken, KI-generierten Prüfungsarbeiten, Deepfakes von Politiker-Reden und gefälschten Videobeweisen allgegenwärtig.

Keine andere Querschnitttechnologie hat je gezeigt, dass ein rasches Handeln aller Interessengruppen und Stakeholder vonnöten ist. Denn künstliche Intelligenz basiert auf lernenden Algorithmen, deren Entwicklung selbst die Schöpfer nicht voraussagen können, die sie anfänglich mit den ersten Datensätzen gefüttert haben. Die Instanz einer KI hinter ChatGPT ist deswegen vom Internet abgekoppelt worden, sodass ihr Wissensstand denjenigen von 2021 nicht überschreiten kann.

In ihrem Brief fordern die Autoren eine sechsmonatige Pause bei der Entwicklung von KI-Systemen, die leistungsfähiger sind als GPT-4. Diese Pause soll öffentlich und nachvollziehbar sein und alle wichtigen Akteure einschliessen. Wenn eine solche Pause nicht schnell umgesetzt werden kann, sollten Regierungen einschreiten und ein Moratorium verhängen. Die Autoren betonen, dass das Moratorium nicht die Entwicklung von KI im Allgemeinen einschränken soll, sondern lediglich einen Schritt zurück von der gefährlichen Entwicklung immer grösserer, unvorhersehbarer Blackbox-Modelle mit emergenten Fähigkeiten bedeuten soll.

Zu den Erstunterzeichnenden gehören neben Elon Musk und dem Turing-Award-Gewinner Yoshua Bengio der Apple-Co-Gründer Steve Wozniak, der Autor und Professor Yuval Noah Harari, der IT-Professor Stuart Russell aus Berkeley sowie zahllose weitere Expertinnen und Experten.