Inspiration ⇨ Vorbilder

26.09.2023
3/2023

Vorbilder wirken nicht auf alle Menschen gleich: Seit Jahrzehnten beweisen Studien, dass Frauen auf weibliche Rollenmodelle und Vorbilder besser ansprechen als auf männliche. Und: Nahestehende Idole zählen mehr als weit entfernte Berühmtheiten.

Vorbildrolle oder Rollenvorbild?

Mehr als eine Milliarde Barbiepuppen soll weltweit seit der Lancierung des blonden Albtraums aller Feministen verkauft worden sein. Und jetzt setzt ein ironischer Kinofilm mit grossem Erfolg diesem Plastikwesen ein letztes Denkmal, das Dekaden lang die Rolle der amerikanischen Nachkriegsfrau verkörperte. Die Puppe dürfte dabei Generationen von Frauen (und Männern) beeinflusst haben.

Aber vor allem eben Frauen. Denn seit Längerem ist klar, dass Frauen sich deutlich stärker als Männer von Vorbildern und vor allem von weiblichen Vorbildern leiten lassen. Zwar dürften sicher auch schon in den Siebzigerjahren einzelne Mädchen von einem Flug ins All geträumt haben – für eine grosse Anzahl an möglichen Anwärterinnen sorgte aber erst Sally Ride, die erste Amerikanerin, die 1983 von der NASA ins All geschickt wurde (Mattel widmete ihr im Jahr 2019 post mortem eine eigene Barbie-Puppe).

Inzwischen haben Dutzende von Studien aufgezeigt, dass Frauen auf weibliche Vorbilder jenseits der Stereotypie besonders stark reagieren, als wären sie ein Weckruf: Hey, das können wir auch!

Die kanadische Psychologin Penelope Lockwood zeigte das anhand einer Versuchsanlage auf, in der sie Studentinnen ihrer Universität und Studenten angeblich journalistische Texte beurteilen liess. In Wahrheit waren es massgeschneiderte Aufsätze über die Errungenschaften erfundener Personen aus dem Studienfach der Probanden und Probandinnen. Bei genau der Hälfte der Studenten handelte die Geschichte von einem Mann, bei der anderen Hälfte von einer Frau. In der darauffolgenden Befragung zeigte sich, dass Studentinnen von einer weiblichen Akteurin viel stärker inspiriert wurden als von einem Mann. Bei den männlichen Studenten spielte dagegen das Geschlecht der Figur keine Rolle. Die einfache Erklärung liegt darin, dass Männer gar nie davon ausgehen, dass es für sie unerreichbare Leistungsziele gibt – Frauen aber oft an gläserne Decken oder Stereotypiebarrieren stossen.

In Harvard zeigte eine andere Studienanlage, dass Frauen in einem vermeintlichen Eliten-Test unter Mathematikern viel besser abschnitten, wenn als Expertin des Tests eine Frau auftrat. Und dies sogar dann, wenn sie nicht in Fleisch und Blut auftrat, sondern sich (in einer Folgestudie) entschuldigen liess und die Prüflinge ohne ihre Anwesenheit den Test absolvierten.

Damit lassen sich all die diversen Sondereditionen der Ursprungs-Barbie, wie die Sally-Ride-Version, dunkelhäutige und körperlich beeinträchtigte Figuren bestens als Rollenmodelle und emanzipiertes Verhalten des Spielzeugherstellers Mattel rechtfertigen.

Allerdings zeigen zum Glück andere Studien zum Thema, dass wir alle wesentlich stärker von uns persönlich nahestehenden Idolen motiviert werden als von irgendwelchen berühmten Lichtgestalten. Dass das besonders auf Frauen zutrifft, erklärt Penelope Lockwood auch damit, dass die «offiziellen» Berühmtheiten schliesslich in einer von Männern dominierten Gesellschaft von einer männlichen Instanz aufgewertet werden.