Mit einem Bein im Homeoffice

15.09.2020
3/2020

Das Homeoffice wirft rechtliche Fragen auf: Wie ist das Arbeitsgesetz auszulegen, und wer kommt für welche Kosten auf? Wozu können Arbeitnehmende verpflichtet werden? Dinge, die es angesichts der Pandemie zu regeln gilt. 

 

 

Es ist wie mit so vielen juristischen Fragen eben nicht ganz einfach: Grundsätzlich muss jede Auslage, die jemand hat, um seine Arbeit zu erledigen, vom Arbeitgeber abgegolten werden. Allerdings setzt das voraus, dass dieser keine Alternative angeboten hat – im Fall von Homeoffice also, dass er keinen Arbeitsplatz vor Ort anbietet oder aber, wie während des Lockdowns, dass er das Homeoffice verordnet hat.

Fürsorgepflicht rechtfertigt Homeoffice-Befehl

Dieses einseitige Recht hatte er vor der Pandemie gar nicht: Die Arbeitnehmenden hätten dem Homeoffice zustimmen müssen. Die ausserordentliche Lage und ihr plötzliches Eintreten haben das teilweise geändert. Rechtsanwalt Dr. Denis G. Humbert, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht und SKO-Berater, hält fest, dass Arbeitgeber bei einer akuten Corona-Gefährdungssituation die Befugnis zur Anordnung von Homeoffice hatten, nämlich «aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitgeber gemäss Arbeitsgesetz und seiner Fürsorgepflicht zum Schutz der Arbeitnehmenden verpflichtet ist. Zudem müssen diese beim Gesundheitsschutz mitwirken und ihre Arbeit so weit zumutbar auch unter diesen herausfordernden Bedingungen leisten.»

Regelungen für die Zukunft sind deshalb angezeigt: «Es empfiehlt sich, dass die Parteien vorsorglich im Arbeitsvertrag oder in den allgemeinen Anstellungsbedingungen eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Homeoffice im Pandemiefall einführen. Sicherlich gut ist die Regelung der Frage der Spesenentschädigungen und auch die Leistung eines Beitrags an die Miete für Homeoffice, zum Beispiel in der Höhe von 150 Franken.»

Im Homeoffice gelten auch die Arbeits- und Überzeitregelungen des Arbeitsrechts. Das heisst insbesondere, dass ein geeignetes System zur Arbeitszeiterfassung existieren muss. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt die Mitarbeitenden auch im Homeoffice.

Nun haben in der Lockdown-Phase viele Leute zu Hause mit ihrer eigenen Infrastruktur gearbeitet. Wäre da nicht auch eine Entschädigung für den Gebrauch von Laptop und privatem Internet angezeigt? «In normalen Zeiten wäre das nicht möglich gewesen», der Arbeitgeber hätte die Ausrüstung zur Verfügung stellen müssen. «Da die Notwendigkeit des Homeoffice jedoch plötzlich und unerwartet auftrat und nur eine zeitlich befristete Periode betraf, war eine solche Ausstattung der Angestellten wohl für viele Arbeitgebende und insbesondere KMU faktisch kaum möglich», sagt Rechtsanwalt Denis G. Humbert. Unter dem Aspekt der Treuepflicht der Arbeitnehmenden gegenüber ihren Arbeitgebern sei der kurzfristige Einsatz privater Ausrüstung in diesem Fall wohl rechtens.

Aber auch hier dränge sich für die Zukunft eine vertragliche Regelung auf. «Besser wäre natürlich, wenn die Arbeitgebenden ihre Angestellten schon vorsorglich mit dem nötigen technischen Equipment für eine rasche Umstellung auf Homeoffice ausrüsten würden», sagt Humbert.

Zusatzkosten sind vom Unternehmen zu tragen

Anders verhält es sich mit Zusatzkosten. «Gestützt auf Art. 327a OR sind die Arbeitgebenden auch in der Krise von Gesetzes wegen verpflichtet, diese Kosten zu übernehmen, etwa für ein kostenpflichtiges Computerprogramm, das der Arbeitnehmende herunterladen musste. Hier gibt es also eigentlich keinen vertraglichen Regelungsbedarf. Das Problem dürfte vielmehr sein, dass viele Arbeitnehmende etwa ihre Ausgaben für Telefon, Strom oder Drucker kaum dokumentiert haben dürften und deshalb nachträglich keine Forderung herleiten und belegen können.» Humbert rät den Arbeitgebenden deswegen zu einer kulanten pauschalen Entschädigung – und regt an, auch dies für die Zukunft in gegenseitiger Absprache zu regeln.

Schäden an privater Infrastruktur, die während der Arbeit entstanden sind, müssen die Arbeitgebenden bezahlen – umgekehrt aber auch die Mitarbeitenden solche, die an Firmeneigentum im Homeoffice entstehen. Dabei gilt es, die besonderen Umstände – bei Arbeitnehmenden mit Kindern und ohne geeigneten Arbeitsraum in der Wohnung – zu berücksichtigen. Allenfalls könnten auch die Privat- und die Unternehmenshaftpflichtversicherung einspringen, das sei abzuklären, rät Humbert.

Arbeitnehmende können die anhaltende Anordnung von Homeoffice ablehnen, wenn deutlich wird, dass sie daraus ableitbare gesundheitliche Probleme erfahren. Arbeitgebende sind gesetzlich zur Fürsorge und zum Gesundheitsschutz verpflichtet, und das auch im Homeoffice, wo wegen zu seltener Pausen und dem Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, Überlastung auftreten kann. Wenn Homeoffice aus objektiven Gründen wie Lärmbelastung oder Platzverhältnissen nicht zumutbar ist, müssen Arbeitgebende sich um Alternativen bemühen.

Umgekehrt können Arbeitnehmende nicht ihrerseits auf dem Homeoffice bestehen – sie müssen auf Geheiss der Vorgesetzten an den vertraglich vereinbarten Arbeitsort zurückkehren. Ausnahmen gelten hier während der Pandemie für nachweislich besonders gefährdete Menschen.

Die kompletten Ratschläge zum Homeoffice sind im SKO-Rategeber «Homeoffice» als PDF zu finden: www.sko.ch/homeoffice