Unsere Daten? Da könnte ja jeder kommen!

04.06.2021
2/2021

Die Aufregung war gewaltig, als 2008 das iPhone in die Schweiz kam: Die Menschen standen Schlange, die Läden öffneten noch in der Nacht. Mit der Softwareschmiede Liip wollten wir unbedingt an diesem ersten Tag eine öV-App im App Store haben: einen smarten Fahrplan mit GPS. Er wurde ein Riesenerfolg, die App ging weg wie warme Weggli.

An die Daten aber kamen wir nur durch Diebstahl, plus/minus. Von der Website der SBB, die selbst noch länger keine App haben sollte, hatten wir die Informationen klammheimlich abgesaugt. Die Daten offen allen zur Verfügung stellen? «Da könnte ja jeder kommen!»

Mit offenen Daten wären wir schneller zum Ziel gekommen. Nicht nur wir mit dem Programmieren. Nicht nur all jene, die täglich auf Strasse und Schiene unterwegs sind und dank leichter verfügbaren Daten hätten schlauer reisen können. Wir alle wären weiter: Smarte Mobilität für eine wachsende Bevölkerung ist essenziell im Kampf gegen den Klimawandel. Und offene Daten machens möglich.

Die Aufregung war ebenso gewaltig, als 2020 klar wurde, dass es kaum offene Daten über COVID-19 und die Massnahmen dagegen gibt. Auch kein Lagebild für die Regierung. Keine Transparenz für die Bevölkerung. Das mangelnde Verständnis der Krise hat zu Tausenden von Toten und unermesslich viel unnötigem Leid geführt. Auch heute, im Frühjahr 2021, haben wir nicht die Daten, die wir bräuchten. Wir fliegen noch immer fast blind.

Um unsere Innovations- wie unsere Krisenfähigkeit zu verbessern, muss die Schweiz auf offene Daten setzen. Auf mehr. Und auf bessere. Wir können das, wenn wir nur wollen: Seit 2008 hat sich enorm viel getan, auch weil wir vom Verein «Opendata.ch» seit Jahren drangeblieben sind.

Inzwischen sind die Karten von swisstopo öffentlich, bei den offenen öV-Daten ist die Schweiz gar Spitzenklasse. Wetterdaten, Immobiliendaten, das Handelsregister: Ein Paradigmenwechsel von «nur öffentlich, wenn nötig» zu «öffentlich, ausser es geht nicht» steht jetzt an. Und wir müssen mehr Daten erfassen und öffnen, die das betreffen, was Menschen wirklich angeht: Wohnen und Mieten. Gesundheit. Und ja: die Virensituation und das Impfen. Nur so lernen wir schnell genug, um gestärkt aus Krisen herauszukommen.

Neue offene Daten ermöglichen neue wirtschaftliche Wertschöpfung und Innovation. Mit praktischen Apps und einleuchtender grafischer Aufbereitung erlauben sie mehr Teilhabe. Mehr Verständnis für das, was mit und um uns geschieht. Und damit besser legitimierte Entscheide. Machen wir das richtig, so sind offene Daten kein Ausdruck kalter Technokratie, sondern ein Weg zu echtem gesellschaftlichem Fortschritt für alle.

Hannes Gassert
Unternehmer und Mitgründer