Zirkuläre Zukunft: Kreislauf statt Verschwendung!

09.09.2021
3/2021

Netto null, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiger Umgang mit Ressourcen – politische Forderungen, die quer durch (fast) alle Parteien Unterstützung finden. Alles wunderbar? Kein Grund zur Sorge? Kein Handlungsbedarf? Keineswegs!

Bei vielen Baufachleuten und erst recht bei Politiker*innen stehen der Neubau oder andere prestigeträchtige Ausgaben – zumindest emotional – immer noch höher im Kurs als Unterhalt und Werterhalt der bestehenden Infrastruktur. Der Wiederbeschaffungswert der gesamten technischen Infrastruktur der Schweiz (Verkehrs-, Strom-, Wasser- und Kommunikationsnetze, Abwasser- und Abfallentsorgung, Schutzbauten, Kraftwerke usw.) beläuft sich auf rund 1 Billion Franken. Dass Erhalt und Unterhalt dieser zahlreichen Bauwerke für Bund, Kantone und Gemeinden eine riesige Herausforderung darstellen, ist offensichtlich.

Gut funktionierende Infrastrukturanlagen sind ein zentraler Pfeiler der Standortattraktivität und der wirtschaftlichen Prosperität der Schweiz, und folglich ist eine weitsichtige Infrastrukturstrategie relevant und deren Erarbeitung dringend. Damit unser gebauter Lebensraum bezahlbar bleibt, muss das Vorhandene optimal genutzt und unterhalten werden. Erst wenn dies gesichert ist, sollte die Weiterentwicklung der Infrastrukturen auf Nachhaltigkeit und Finanzierbarkeit geprüft werden.

Erhaltung bedeutet überhaupt nicht, dass alles beim Alten bleibt, sondern dass die Infrastruktur zukunftsfähig gemacht wird, indem sie an geänderte Bedürfnisse (z.B. mehr Platz für den Fuss- und Veloverkehr) und im besten Fall auch an absehbare zukünftige Anforderungen angepasst wird. Neben diesem Mehrwert können gleichzeitig der Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen viel tiefer gehalten werden als bei Neubauten. Weshalb? Weil die graue Energie bzw. grauen Treibhausgasemissionen, die in den Bauwerken stecken, im Vergleich zu den Emissionen im Betrieb immer relevanter werden.

Ich freue mich auf eine Zukunft mit einer Kreislaufwirtschaft, die sich nicht mit Recycling begnügt, sondern Energiekonsum und Abfall vermeidet sowie Reparatur und Wiederverwendung belohnt. Das Zeitalter der «sharing- and circular economy» ist angebrochen und wird durchstarten. Dass IKEA bereits in verschiedenen Ländern beginnt, Möbel zu vermieten, statt zu verkaufen, Airbnb längst eine etablierte Alternative zur Hotelbuchung darstellt und Co-Working- Spaces starken Aufwind verzeichnen, sollte selbst eingefleischte Skeptiker*innen aufhorchen lassen. Mahatma Gandhi hat gesagt: «Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.» Machen wir uns also schleunigst auf den Weg.

Benno Singer
Verwaltungsratspräsident
ewp Holding AG